Chatkontrolle vermeiden ist gleichzeitig unwichtig und nicht genug!

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22.12.2025

Das ist ein Abstract eines Vortrages, den ich auf dem 39C3 halten wurde, der aber abgelehnt wurde

In den ersten Wochen des Oktober standen wir wieder einmal kurz vor der Einführung der anlasslosen Chatkontrolle. sie konnte zwar abgewendet werden, aber wir stehen unter konstantem Beschuss mit immer wieder neuen Versuchen, die informationelle Selbstkontrolle zu verlieren und Infrastruktur für totalitäre Regimes aufzubauen. Ein solches Beispiel sind die diversen Anbieter von Türkameras, deren Daten in manchen Ländern schon heute einfach vom Staat und seinen Organen abgegriffen werden können. Ein weiteres Beispiel sind e-Health-Apps und insbesondere solche zur Überwachung der weiblichen Periode (hier sollte man die Parallele zu Staaten sehen, die es immer schwieriger machen, eine Abtreibung zu erreichen und wenn sie erfolgt ist, drakonische Strafen verhängt: Beim Zugriff des Staates auf die entsprechenden Biodaten muss man nicht mehr aufwendig recherchieren - es ist sofort ersichtlich, wenn eine Schwangerschaft nicht neun Monate dauert...). Ich möchte hier ein wenig provozieren und erklären, warum Chatkontrolle gar nicht so schlimm ist.

Chatkontrolle ist nicht schlimm, weil sie genau das ist: Kontrolle von Messenger-Produkten. Wenn wir aber die Menschen nicht aufklären und weiterbilden denken sie, dass die Kommunikation mit anderen über Apps zu erfolgen hat. Dann hat es da Regime natürlich einfach, uns zu kontrollieren. Es gibt aber noch andere Mittel und Wege der Kommunikation: EMail (S/MIME und PGP) zum Beispiel., Hier wäre es sehr schwer, globale Hintertüren einzubauen. Leider wissen die Menschen nicht über Alternativen Bescheid. Das Mittel dagegen wäre: Bildung!! Australien hat eingeführt, was in Deutschland diskutiert wird: soziale Medien erst ab einem gewissen Alter. Das ist dasselbe wie Triggerwarnungen: Man kann Menschen nicht in Zuckerwatte packen: Wenn sie irgendwann mit dem, was als problematisch eingestuft wird, unvorbereitet konfrontiert werden, sind die Auswirkungen wesentlich schlimmer! Wir sollten unsere Kinder (und eigentlich alle Bürger) weiterbilden, um einen selbstbestimmten, mündigen Umgang mit allem Digitalen zu ermöglichen. Dazu muss der Föderalismus im Bildungssystem weichen, der Beruf des Lehrers und Erziehers muss wieder Anerkennung und Respekt bekommen (nicht nur Corona-Balkon-Applaus). Und wir müssen Informatikunterricht so gestalten, dass dort nicht gelehrt wird, wie man Powerpoint-Präsentationen und Word-Dokumente erstellt - das ist der beste Weg, um tatsächlich irgendwann mit KI-Agenten um Jobs zu konkurrieren! Statt Apps und Anwendungen in den Vordergrund zu rücken unterrichtet Protokolle und Technologien frei von Bezügen zu Produkten und Tech-Bros. So lernen Kinder verantwortungsvollen und kreativen Umgang mit technologie - nicht nur digitaler.

Aber das Internet ist in Deutschland Neuland und die Gerontoktratie in den Parlamenten und Gerichten hat immer noch irrationale Angst vor allem, was jünger als ein Faxgerät ist. Und natürlich steht das Lehren dessen, was mit Technologie möglich ist in eklatantem Widerspruch zum guten alten Hackerparagraphen...

Ich wollte den Vortrag - wäre er angenommen worden - ausklingen lassen mit einem kleinen Konzept und einer Demo, die zeigen sollte, wie man sichere Kommunikation für eine Gruppe mit bestehender Crypto implementieren kann und einige mögliche Einsatzfälle und -szenarien für eine solche oder ähnliche Lösungen skizzieren.

Statt dessen kann ich nuri immer wiederholen - Seid wachsam, lernt und bildet euch fort. Handelt souverän und eigenverantwortlich und wartet nicht darauf, dass die EU oder gar Deutschland (Bayern habe ich was das angeht eh abgeschrieben) endlich digitale Souveränität nicht nur als hohle Blase vor sich herträgt, sondern endlich handelt. Und wehrt euch gegen jedes digitale Überwachungsinstrument, das nur totalitären Diktaturen in die Hände spielt. Jetzt gerade ist ja wieder mal die Vorratsdatenspeicherung mit einem neuen Anlauf gestartet!

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Manche nennen es Blog, manche Web-Seite - ich schreibe hier hin und wieder über meine Erlebnisse, Rückschläge und Erleuchtungen bei meinen Hobbies.

Wer daran teilhaben und eventuell sogar davon profitieren möchte, muss damit leben, daß ich hin und wieder kleine Ausflüge in Bereiche mache, die nichts mit IT, Administration oder Softwareentwicklung zu tun haben.

Ich wünsche allen Lesern viel Spaß und hin und wieder einen kleinen AHA!-Effekt...

PS: Meine öffentlichen Codeberg-Repositories findet man hier.